Abflug in die Zukunft

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Für eine gemeinwohlorientierte, kreative und nachhaltige Entwicklung des Flughafengebäudes Tempelhof
(Fassung 1.2; 2018)

(Gemeinwohlplan als pdf , Kurzfassung, Kurzfassung als pdf)

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Der Tempelhofer Flughafen mit seinen mehr als 300.000 qm Fläche gehört zu den größten Gebäuden auf dem Planeten. Jetzt könnte hier ein Brückenpfeiler der Transformation entstehen. Was für die Kriegswirtschaft erbaut wurde, sollte nun zur Entwicklung einer Friedenswirtschaft genutzt zu werden. Das Gebäude ist außerdem ein hochsymbolischer und -emotionaler Ort: Hier landeten die Rosinenbomber und versorgten die Menschen über eine Luftbrücke fast ein Jahr lang mit allem Überlebensnotwendigen. Die Welt rettete die Berliner Bevölkerung – jetzt eröffnet sich die Chance, der Welt dafür etwas zurück zu geben.

Als Gemeingut kann das Gebäude zu einem Experimentier-, Praxis-, Lern- und Forschungsort für eine generationenübergreifende Lebens- und Wirtschaftweise werden. Wir haben die Chance, eine bessere Welt zu bauen: Liebevoller, witziger, feinfühliger und künstlerischer, als es je zuvor möglich gewesen ist. Aber wir müssen selbst in den Ring steigen, es selbst in Gang bringen, es selbst unternehmen. Wir dürfen die Welt nicht den Gewinnmaximierern überlassen!

Keine andere Metropole in Europa hat so viel Frei- und Leerraum in zentraler Lage. Damit bestehen beste Voraussetzungen, um einen Begegnungs- und Gestaltungsort für eine vielfältige Stadt- und Weltgesellschaft zu schaffen. Deren kollektive Intelligenz kann hier mit Kopf, Herz und Hand demokratische und ökologisch tragfähige Zukunftsansätze entwickeln. Der Gemeinwohlplan versteht sich als Konkretisierung des Leitbilds „Stadtquartier für Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft“, das der Berliner Senat und die Verwaltung erarbeitet haben.

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Rahmenbedingungen

Globale Megakrisen wie Klimawandel, Kriege, Spaltung zwischen arm und reich, Umweltflüchtlinge, Verschuldungskrisen, Artenschwund, wachsender Ressourcenverbrauch und Bodenverlust machen deutlich, dass ein „Weiter so“ ausgeschlossen ist. Auch die Politik benötigt neue Impulse. Gegenwärtig wachsen sowohl die ökologischen Gefahren als auch die Risiken für die Demokratie und den Weltfrieden – und zugleich zeichnet sich die Chance einer Transformation ab.

In dieser Situation werden Brückenpfeiler in die Zukunft gebraucht. Nötig sind Lernorte und lernende Organisationen, wo innovative Ansätze entwickelt, erprobt und aus unterschiedlicher Perspektive bewertet werden können. Das Tempelhofer Flughafengebäude könnnte genau solch ein Brückenpfeiler werden.

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Die 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung als Kompass

Einen Kompass für die wünschenswerte Richtung gibt es bereits: die 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, kurz SDGs), die von allen UN-Mitgliedsstaaten bis 2030 verwirklicht werden sollen. Sie wurden auf Einladung der Vereinten Nationen in einem mehrjährigen Beratungsprozess weltweit von über einer Million Bürger:innen, Expert:innen, Organisationen und Regierungsstellen erarbeitet. Sie reichen von der Überwindung von Hunger und Armut über gute Gesundheitsversorgung und hochwertige Bildung für alle bis hin zu Klimaschutz, erneuerbare Energien und Abwasserreinigung. „Niemand soll zurückgelassen werden,“ lautet das große Versprechen der in der UNO zusammengeschlossenen Völkergemeinschaft. „Erfolg oder Misserfolg der Arbeit an den SDGs wird entscheidend davon abhängen, ob die wirtschaftlich reichen Länder diese Herausforderung wirklich ernst nehmen“, so die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen.

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Experimentier-, Bildungs-, Forschungs- und Praxisort für soziale, technische und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit

Weil alles mit allem zusammenhängt, lassen sich die globalen Megaprobleme nicht isoliert voneinander lösen.Vernetztes Denken und Handeln sind notwendig. Gerade weil das Gebäude des Tempelhofer Flughafens enorm groß ist, lassen sich hier viele Aspekte einer zukunftsfähigen urbanen Gesellschafts- und Lebensgestaltung verknüpfen, betrachten und in ihren Wechselwirkungen ausprobieren. In diesem wichtigen Netzknotenpunkt für eine Zukunftsfähigkeit können eine vertiefte Demokratie und enkeltaugliche Produktions- und Versorgungsweisen experimentell praktiziert, erforscht und durch neuartige Bildungsangebote verbreitet werden. Und natürlich ist hier auch viel Platz für kulturelle Aktivitäten – Ateliers, Ausstellungs- und Probenräume, die je nach Bedarf Tanzende, Theatergruppen, Chöre, Bands, Aktionskünstler oder Orchester nutzen.

Schon immer war die soziale Nähe in Städten Schmelzttiegel der Kulturen; gerade die Heterogenität und Vielfalt der Perspektiven hat das Potenzial, Innovationen zu fördern. Berliner:innen aller Kulturen, Schichten, Herkünfte und Altersgruppen sollen sich beteiligen und ihre Erfahrungen und Ideen einbringen. Auch Neuankommende sind eingeladen, aktiv zu werden. Einzige Voraussetzungen fürs Mitmachen: Alle werden als Gleichwertige akzeptiert und die gemeinsam entwickelten Spielregeln eingehalten.

So könnte das Tempelhofer Flughafengebäude auch zu einem Magneten werden für Innovator:innen aus aller Welt, die sich mit Zukunftsfragen beschäftigen und die Entwicklungen durch ihr Wissen und ihre Erfahrungen voranbringen wollen. Ein solch einzigartiger Ort würde international Aufmerksamkeit erregen und sicher viele Interessierte und weitere Akteur:innen nach Berlin locken.1

Ein solches Konzept passt hervorragend zum „Berliner Nachhaltigkeitsprofil“, das der Berliner Senat 2016 veröffentlicht hat. Darin heißt es: „Für die zukünftigen Herausforderungen einer wachsenden Metropole werden integrierte Lösungen benötigt, die durch eine sozial-ökologische Transformation des örtlichen Wirtschaftens entstehen. Dieser Prozess braucht

Vielfalt bei gleichzeitiger Vernetzung: Das Ermöglichende Berlin bietet Raum zum Ausprobieren, baut mentale Barrieren in den Köpfen ab und lässt ergebnisoffene Prozesse zu.“ Und weiter: „Politische und wirtschaftliche Wertschätzung von Nischen, Förderung von Freiräumen und Unterstützung von Kreativität und Experimenten können Berlin international zur Hauptstadt der Ermöglichung machen und die Stadt als Impulsgeber innovativer Nachhaltigkeitsideen etablieren.“ 2

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Symbolkraft des Gebäudes: Transformation statt Versteinerung

Der Tempelhofer Flughafen ist von hoher Symbolkraft und deshalb besonders geeignet, um Wandel und Transformation zu ermöglichen und konkret erlebbar zu machen. Es war ein Ort staatsterroristischen Wahns, aber auch ein Ort der Hoffnung, der Rettung und der menschlichen Solidarität.

Der Bau wurde in der NS-Zeit errichtet, tausende von Zwangsarbeiter:innen mussten in den Hangars Militärflugzeuge bauen. Die sich auch in der Architektur ausdrückende totalitäre Ideologie steht für die extremste Form von Rassismus und könnte jetzt genutzt werden als inklusiver Ort der Lebendigkeit und gegenseitigen Akzeptanz, von Heterogenität und kooperativem Miteinander, internationaler Solidarität, Freiheit und Demokratie. Als Zukunftshafen entstünde hier ein Ort der kurzen Wege und der Nahversorgung.

Das Flugfeld wurde durch eine Volksabstimmung bereits in ein Gemeingut verwandelt. Das zu einem Großteil leer stehende, bisher weitgehend unzugängliche Gebäude könnte als Scharnier zwischen dem Feld, den angrenzenden Stadtteilen und den urbanen Infrastruktursystemen diese Entwicklung intensivieren.

Der Ort der Luftbrücke kann zu einem Brückenpfeiler zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden – hin zu

  • Inklusion und Vielfalt
  • Selbstermächtigung und Freiheit der Zivilgesellschaft
  • Ressourcenschonung
  • Bedürfnisbefriedigung durch Versogungsstrukturen der kurze Wege

hin zur

  • Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele
  • Zukunftsfähigkeit
  • Kreislaufwirtschaft

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Vertiefung und Modernisierung der Demokratie

Viele Menschen haben den Eindruck, Politik, Wirtschaft und Arbeitswelt kaum mehr beeinflussen zu können, nicht gehört und ausgegrenzt zu sein. Im Tempelhofer Flughafengebäude könnte ein konkreter und vielversprechender Kontrapunkt entstehen, indem es zu einem Ort wird, den Menschen mit Engagement, Lust und Spaß gestalten. Zu einem Lernort, der vermittelt, dass Demokratie Selbstermächtigung bedeutet; dass
Bürgerbeteiligung und neue partizipative Formen sinnvolle und kreative Ergebnisse hervorbringen; dass Konflikte friedlich und konstruktiv ausgetragen werden können. Das Gebäude ist so groß, dass hier vieles gleichzeitig stattfinden kann – parallel und zugleich gemeinsam. Menschen verschiedener Generationen, Geschlechter, Herkünfte, Religionen und Bildungsgrade können sich hier im realen Raum begegnen statt nur im Internet, können ein friedliches, kooperatives Miteinander üben und Selbstwirksamkeit erleben.

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Wirtschaften nach dem Kreislauf und Vernetzungsprinzip





Die Grundbedürfnisse aller 7,5 Milliarden Menschen lassen sich im gegenwärtigen Wirtschaftssystem nicht befriedigen, die 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) sind so nicht erreichbar.

Viel intelligenter sind die Prinzipien, nach denen die Natur wirtschaftet. Ihr gelingt es, aus demselben Material eine immer größere Vielfalt herzustellen. Müll gibt es nicht: Was für das eine Wesen Abfall, ist für andere Lebensgrundlage; ständig entstehen neue Möglichkeiten. Dezentral, kleinteilig, modular, regional angepasst, vielfältig vernetzt im Nahbereich, aber in Teilen auch global – so wirtschaftet die Natur seit Milliarden Jahren, ohne dass Wasser und Luft verschmutzt werden. Dabei entsteht nicht nur eine immer größere Artenvielfalt, auch die Biomasse hat laufend zugenommen. Wachstum an sich ist nicht das Problem, sondern die Prinzipien der gegenwärtigen Wachstumsökonomie: Konkurrenz, Zentralisierung, Standardisierung, Massenproduktion, Patente, Profitorientierung, Ausbeutung. Darüber hinaus dominiert die Orientierung an Kosten und Wirtschaftlichkeit inzwischen alle Lebensbereiche vom Gesundheits- und Sozialwesen über die Bildung und Forschung bis hin zur Kultur.

Eine zukunftsfähige Wirtschaft darf nicht länger dem Einbahnstraßenprinzip „ausgraben – nutzen – wegschmeißen“ folgen, sondern muss sich am Vernetzungs- und Kreislaufprinzip der Natur orientieren. Ins Zentrum gehören die Ausrichtung aufs Gemeinwohl, Menschenwürde und Bedürfnisse. Menschen brauchen sinn- und nutzenstiftende Arbeit und müssen gut leben können. Die Bedingungen, unter denen sie Arbeit verrichten, haben menschenwürdig zu sein (SDG 8) und dürfen die Gesundheit nicht gefährden. Es gilt, nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherzustellen (SDG 12).

Die Entwicklung einer solchen Art von Wirtschaft könnte auf im Tempelhofer Flughafen exemplarisch vorangetrieben werden. Dafür sollten kleinteilige, vielfältige, regional angepasste, auf ungefährlichen Techniken basierende Versorgungsstrukturen aufgebaut werden, die sich an den Bedürfnissen der Beteiligten und der Menschen in der Umgebung orientieren und möglichst viele vor Ort vorhandenen Ressourcen nutzen. Kooperieren, teilen und gemeinsam nutzen, Lebensdauerverlängerung durch Reparieren, Modernisieren und Nachrüsten bis hin zum Rückbau und Recyclen sind dabei ressourceneffektive und strategische Elemente.

Bei materiellen Dingen soll eine solche Kreislauf- und Vernetzungswirtschaft auf kurze Wege setzen, bei guten Beispielen und Konzepten dagegen auf den globalen Austausch (SDG 17). Sind die Grundlagen von Innovationen offen (open source), können sie sowohl weltweit weiterentwickelt als auch überall modular an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden. Für solche Wirtschaftsstrukturen gebraucht werden bewährte handwerkliche Strukturen, moderne Open-Source-Soft- und Hardware, aber auch die Einbeziehung des Sozialen und der Sorgearbeit auf neue Weise. Darüber hinaus sind Bereiche wie das Gesundheitswesen, Bildung, Forschung und Kultur vom Primat der Ökonomie zu befreien, so dass sie sich wieder nach lebensförderlichen und –sichernden Prinzipien ausrichten können. (SDGs 3, 4, 5, 9, 10)

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Ver-Ortung im Tempelhofer Flughafen-Gebäude

Das Tempelhofer Flughafengebäude ist voller Geschichten und Geschichte, die es zu entdecken und darzustellen gilt. Das Europäische Kulturerbejahr 2018 steht unter dem Motto „Sharing Heritage“ und soll das Gemeinschaftliche und Verbindende ins Zentrum stellen; genau darum geht es.

Der 1,2 Kilometer lange Komplex, in seiner Bauzeit das längste Gebäude der Welt, besitzt mehrere halb- oder ganz umschlossene Höfe. Das Gelände hinter dem Gebäude sowie der sogenannte Ehrenhof vor dem Haupteingang sind riesige mögliche Versammlungs- und Veranstaltungsorte. In den ersten Demokratien im antiken Griechenland war die Agora der zentrale Versammlungs-, Diskussions-, Veranstaltungs- und Marktplatz – diese Tradition könnte hier neu belebt werden.

Die Agora ist aber nicht nur ein Ort, sondern auch ein Symbol für gemeinsames Nachdenken und Reflektieren. Das kann in Form von Politischen Salons stattfinden, in einer „Speaker´s Corner“ oder auch in Veranstaltungen der globalen Universität oder in der Volksuniversität.

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Vielfältige Räume für vielfältige Themen

Die zahlreichen Innenhöfe, Hallen und Hangars, Büros, Küchen und Kantinen, Werkstätten und Hotelzimmer bieten Platz für vielfältige Nutzungen. Hier kann gedacht, entwickelt, produziert, repariert, gespielt, beraten und gefeiert, debattiert, experimentiert, gelernt und geprobt werden. Um anzufangen, das Gebäude zu beleben und einen Nukleus zu schaffen, von dem aus die Gebäudenutzung entwickelt wird, erscheint der Gebäudeteil H2rund mit den dahinterliegenden Höfen als besonders gut geeignet: Die Räume sind sofort nutzbar und es existieren zwei voll eingerichtete Küchen.

Im Gebäude gibt es mehrere Innenhöfe, die dazu einladen, sie als Themenhöfe zu gestalten: beispielsweise zu Ernährung, Gesundheit, Demokratie, Friedensförderung, Kultur, Geschlechter- und Generationengerechtigkeit, Stadtplanung und -versorgung, Produktionsweisen u.a.

Initiativen, Projekte und Betriebe, die sich um ähnliche Themengebiete kümmern, könnten gemeinsam einen Themenhof beziehen, gestalten und bewirtschaften. Die Tempelhofer Themenhöfe würden damit gleichzeitig eine Substruktur aus relativ kleinteiligen Modulen bilden, die sich zu einem Großprojekt zusammensetzen und dessen direktdemokratische Gestaltung erleichtern würden.

In allen Themenhöfen sollten Bildung und Ausbildung integriert stattfinden, neben Fachwissen sollten stets auch die größeren Zusammenhänge vermittelt und vernetztes Denken gefördert werden. Das fällt leicht, da die gesamten Wertschöpfungsketten (z.B. Ernährung, Produktion), Herstellungs- und Nutzungsphasen (Energie, Wasser) und sozialen Prozesse (Demokratie, Geschlechtergerechtigkeit) beobachtet werden können und sich Theorie und Praxis hier eng verflechten (SDG 4).

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Beispiele:

Themenhof Demokratie, Friedenssicherung und Migration (SDG 5, 10, 16, 17)

Versammlungsräume unterschiedlicher Größe können von Mitgliedern unbürokratisch reserviert und genutzt werden. Auch die Verwaltung für das Gesamtprojekt könnte sich hier ansiedeln. Eine Multimediaaustellung und eine Fachbibliothek vermitteln die Geschichte der Demokratie sowie Formen partizipativer Entscheidungsfindung vom Mehrheitswahlrecht über Bürgerräte bis zum Konsensuieren. Theoretisch und ganz praktisch wird hier erforscht und geübt werden, was vertiefte Demokratie bedeutet und wie friedliche Konfliktlösungen funktionieren. Diskurse und Auseinandersetzungen sind nicht als negativ zu sehen – sie bedeuten ja zunächst nur, dass Menschen etwas wichtig ist. Worauf es ankommt ist, gemeinsam gute Lösungen zu finden.

In diesem Hof können auch internationale Begegnungen von Friedensgruppen stattfinden. Es gibt Angebote für Arbeitsgruppen und Belegschaften, die gemeinsam über ihre Interkulturalität reflektieren oder sich beraten lassen wollen sowie Mediationsangebote für Nachbarschafts- und andere Alltagskonflikte.

Themenhof Ernährung (SDG 2)

Der Themenhof bietet Platz für viele Gruppen, Initiativen und Betriebe. Hier könnte sich der Berliner Ernährungsrat treffen, während nebenan in der Lehrküche ein Kinderkochkurs stattfindet. Foodcoops und Foodsharing-Initiativen betreiben Lagerhallen, neue Projekte der Solidarischen Landwirtschaft erhalten Beratung, ein Infozentrum der urbanen Permakultur entsteht. In einer Markthalle bieten Kleinbauern und Stadtgärtnerinnen ihre Ernte an, daneben gibt es Betriebe zur Weiterverarbeitung lokal und regional erzeugter Lebensmittel – Käserei, Bäckerei, Imkerei, Tofumanufaktur u.a.. Die immer noch funktionsfähigen Kantinen werden in Betrieb genommen zum Beispiel von selbstorganisierten Restaurants und Cafés, die gerettete Lebensmittel und regional erzeugte Produkte verarbeiten. Hier könnten auch Kurse stattfinden zu nachhaltiger Ernährung, zum Einkochen oder zum Lagern verpackungsfreier Lebensmittel. Gemüse- und Gartenabfälle werden im Sinne der Kreislaufführung für die Herstellung von Kompost- und Terra-Preta-Substraten genutzt, um fruchtbare Erde für Hochbeete zu liefern und deren Flächenproduktivität zu erhöhen. (SDG 2, 15) Einige davon könntenauf dem Dach des Flughafengebäudes platziert werden. Auch Gewächshäuser und Aquakulturanlagen zu Studien- und Demonstrationszwecken ließen sich hier aufstellen, in denen Fische und Tomaten oder tropische Früchte gemeinsam gedeihen. (SDG 14) In den Kellern lassen sich nahrhafte Edelpilze etwa auf Kaffeesatz oder Holzabfällen züchten. Darüber hinaus könnten auf dem ehemaligen Flughafenfeld wissenschaftliche Experimente mit Pflanzstreifen stattfinden mit dem Ziel, den Boden zu entgiften und solche Flächen für den Lebensmitteanbau nutzbar zu machen.

Themenhof Geschlechter- und Generationengerechtigkeit (SDG 5, 10)

Hier geht es zum einen um Versammlungs- und Veranstaltungsmöglichkeiten für alle, denen an der Verwirklichung von Geschlechtergerechtigkeit gelegen ist. Dazu gehören an erster Stelle Frauen, aber auch diejenigen, die anders lieben oder sich nicht einem eindeutigen Geschlecht zuordnen. Auch Kinder und Jugendliche sollen hier Räume selbst gestalten und nach eigenen Bedürfnissen nutzen können. Zugleich könnten hier Projekte entstehen, in denen sich Menschen unterschiedlicher Generationen austauschen und gemeinsame Aktivitäten und Angebote entwickeln.

Themenhof Gesundheit (SDG 3)

Der übliche Gesundheitsbegriff ist viel zu eng gefasst, er bezieht sich hierzulande vor allem auf Krankenversorgung, Pharmazeutika und teure Apparate-Medizin. Welche Lebensumstände Menschen krank machen und welche sie gesund halten, gerät dabei völlig aus dem Blickfeld. Dabei gehören Eingebundensein in intakte Natur und soziale Verhältnisse zu den wichtigsten Voraussetzungen für menschliche Gesundheit. In diesem Themenhof siedeln sich Projekte an, die einen weiten Gesundheitsbegriff verwirklichen und vor allem auf Prävention setzen. Die Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung ist die Leitlinie für diesen Ansatz.

Im Tempelhofer Flughafen gibt es bereits seit 2013 die Sigmund Freud Universität (SFU). Sie soll ergänzt werden durch eine Rudolf Virchow Hochschule, die Public Health, Gesundheitsförderung, Gesundheitspolitik und Gesundheitssystemgestaltung lehrt und erforscht. Betroffenen- und Bürger:innenorganisationen arbeiten hier mit Wissenschaftler:innen zusammenarbeiten – beispielsweise zu besonderen Belastungen durch das berufliche und private Umfeld, aber auch zur heilenden Wirkung der Natur. In gemeinsamen Seminaren nehmen Musiktherapeut:innen Erfahrungen von Laienchören oder Ensembles auf und geben ihnen Anregungen zurück – um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Themenhof Kultur

Hier treffen Kunst- und Kulturschaffende unterschiedlicher Richtungen aufeinander, um Synergien zu erzeugen. Ateliers, Werkstätten, Proben-und Leerräume stehen zur Verfügung, einige Räume sind für Stipendiat:innen und Gäste reserviert. Es gibt crossmediale, häufig wechselnde Ausstellungen.

Themenhof Nachhaltige Produktionsweisen (SDG 4, 7, 8, 9, 12, 13)

Wie sich die gegenwärtige, produktorientierte Art des Wirtschaftens zu einer systemorientierten Wirtschaftweise mit Orientierung am Nutzen entwickeln kann, steht im Zentrum dieses Themenhofs. Dieser Systemansatz ahmt nicht nur die abfallvermeidende Wirkungsweise natürlicher Ökosysteme auch für komplexe technische Lösungen nach. Er schafft auch sinnstiftende Arbeit: Die Beschäftigten wissen, dass ihr Umgang mit Ressourcen zukunftsfähig ist und sie sich verantwortungsvoll sowohl gegenüber gegenwärtigen Erdbewohner:innen als auch künftigen Generationen verhalten.

Entwicklungs- und Produktionswerkstätten unterschiedlicher Branchen und Gewerke könnten sich in diesem Themenhof ansiedeln: Von Schreinerei, Klempnerei, Schmiede, Druckerei, Näherei, Elektrikwerkstatt u.a. über FabLabs bis hin zu vielfältigen Reparatur- und Upcyclingwerkstätten. Ingenieur:innen und Softwareentwickler:innen sind hier ebenso beteiligt wie Menschen, die die gesellschaftlichen Bedürfnisse ermitteln, innovative Nutzungskonzepte ausarbeiten und neue Schnittstellen und Kommunikationswege zwischen Herstellern und Nutzenden schaffen, damit auch Wünsche nach individuellen Produkten und Dienstleistungen (Mass Custimization) befriedigt werden können.

Technische Gebrauchsgüter werden hier so hergestellt, dass sie eine lange Nutzungs- und Produktlebensdauer haben und konstruktionsbedingt reparaturfreundlich, nachrüstbar und einfach zu demontieren sind. Ziel muss es sein, die Materialien dauerhaft ungiftig und immer wieder einsetzbar zu halten und bei regenerierbaren Ressourcen nur so viel zu verwenden, wie in der Umgebung nachwachsen kann. Die Ressourcen-, Wasser- und Energieströme der unterschiedlichen Gewerke werden so effektiv wie möglich verkoppelt.

Themenhof Stadtplanung und -versorgung (SDG 9, 11)

Wenn Großstädte zukunftsfähig bleiben wollen, müssen sie die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wie Klimakrise und Bevölkerungsdruck produktiv annehmen. Stadt- und Landschaftsplaner:innen müssen mitdenken und mitplanen, wie die Stadtbevölkerung durch das nahe Umfeld mit dem Wichtigsten versorgt werden bzw. sich selbst versorgen kann. Parks und Straßenzüge können in essbare Landschaften umgewandelt, Fassaden und Dächer begrünt werden. Lieferverkehr kann teilweise auf Lastenräder verlagert oder durch Produktion vor Ort überflüssig gemacht werden. Projekte und Betriebe, die in dem skizzierten Sinne arbeiten, können sich in diesem Themenhof ansiedeln.

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Infrastruktur

Das Tempelhofer Flughafengebäude hat eine eigene Wasserversorgung. Damit ist es gut geeignet, nachhaltige Abwasser- und Sanitärsysteme zu entwickeln und zu erproben, die angesichts der zunehmenden Verstädterung und der grassierenden Wasserknappheit immer dringender gebraucht werden (SDG 6). Zugleich beinhaltet dieser Themenkomplex aber auch Fragen der Bewirtschaftung: Wasser darf keine Ware sein. Wasserprivatisierungen haben in der ganzen Welt zu Protesten geführt. In Berlin ist es aufgrund von Bürgerengagement gelungen, die Wasserprivatisierung rückgängig zu machen; auch aus diesem Grund ist der Standort für diese Fragen hervorragend geeignet.

Darüber hinaus war das Tempelhofer Flughafengebäude früher energieautark und hatte ein eigenes Kraftwerk. Gegenwärtig zahlt der Senat jährlich mehrere Millionen Euro, um das Gebäude zu heizen. Ein UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung besteht darin, die Energieeffizienz zu verdoppeln und weltweit den Zugang zu sauberer und sicherer Energie zu ermöglichen. (SDG 7) Mit seiner energetischen Insellage und der Notwendigkeit, die energetische Effizienz des denkmalgeschützten Gebäudes zu verbessern, existieren gute Voraussetzungen für praktische Forschungen in diese Richtung.

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Bildung, Forschung und Innovation

Der Tempelhofer Flughafen bietet Raum für einen „World Citizen Campus“, wo sich im Geist des Humanismus Bildung, Forschung und Entwicklungschancen entfalten. Hier werden globale Schlüsselfragen wie Migration und globale Krisen aufgegriffen und Lösungskonzepte erarbeitet.

Die „Global University für die Sustainable Development Goals“ wird keine herkömmliche Universität, sondern sie nutzt die Chancen der Vielfalt (diversity) als Bildungs- und Forschungsressource mit dem Ziel, die Verwirklichung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele zu befördern. Sie ist international ausgerichtet und integriert unterschiedliche kulturelle Erfahrungen und Kompetenzen, um soziale, ökonomische, technologische und ökologische Innovationen hervorzubringen. Im Zentrum steht der freie, transdisplinäre Austauschs junger und älterer Wissenschaftler:innen untereinander sowie mit Expert:innen aus aller Welt und aus vielen Lebens- und Arbeitsbereichen. Als Bildungseinrichtung entwickelt sie auch vielfältige Konzepte zur Förderung von Unternehmensgeist für innovatives Handeln und den Aufbau neuer und neuartiger Betriebe überall auf der Welt. In Kooperation mit Industrie und Handwerk entstehen duale Bildungssysteme und berufliche Entwicklungsperspektiven für junge Menschen, die sich selbst als Weltbürger verstehen und weltweit unternehmerisch und kreativ handeln wollen.

Eine Hochschule der Vielfalt bildet vor allem junge Geflüchtete und Migrant:innen aus. Viele neu nach Deutschland kommende Jugendliche und junge Menschen sind mit Fähigkeiten und Unternehmergeist ausgestattet, die bisher weitgehend verkümmern, hier dagegen gezielt gestärkt und gefördert werden. In dieser Hochschule lernen sie, Probleme in der Wirklichkeit zu lösen und werden zu Kulturgestalter:innen, Moderator:innen für Integrationsprozesse und Innnovator:innen. Im Zentrum für Zukunftsfähigkeit im ehemaligen Flughafengebäude wird es in großem Umfang sowohl praktische als auch theoretische und soziale Einsatz- und Experimentierfelder für solche internationalen Lern- und Gestaltungsteams geben (SDG 4, 10, 16, 17).

Darüber hinaus gibt es auch eine Volksuniversität mit internationaler Bibliothek die allen Bewohner:innen Berlins offen steht. Sie fördert gezielt die Kommunikation und den Auseinandersetzungsprozesse zwischen Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Berufe, Herkünfte, Weltanschauungen, Kulturen und Religionen und sieht Heterogenität als Chance für eine neue, gemeinsame Perspektive. (SDG 4, 10, 16, 17)

Was an diesem Ort entwickelt und erforscht wird, sollte so weit wie möglich offen (open source) sein, damit es in aller Welt genutzt und an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden kann. Copyleft-Lizenzen sorgen dafür, dass das Wissen auf Dauer der gesamten Menschheit zur Verfügung steht und nicht privatisiert werden kann. Dank neuer Kommunikationstechniken ist ein weltweiter Austausch einfach: Sowohl das in Berlin generierte Wissen kann ohne Aufwand verbreitet werden als auch Wissen aus aller Welt hierherfließen und genutzt werden.

Auch im Tempelhofer Flughafen selbst sollen Wissen und Erkenntnisse möglichst frei und intensiv zwischen Praxis und Theorie, zwischen Wissenschaftler:innen und Bürger:innen hin und herfließen und sich gemeinsam entwickeln können. Seminar- und Praxisräume sollten deshalb möglichst oft in unmittelbarer Nähe zueinander liegen. Auch der Austausch von Referent:innen und Fachpublikationen wird so einfach.

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Entwicklungsprozess

Der Weg ist das Ziel, wusste schon Konfuzius. Wer Demokratie und Nachhaltigkeit als zentrale Werte und Ziele benennt, muss den Prozess ihrer Verwirklichung ebenfalls demokratisch, nachhaltig und transparent zusammen mit allen Beteiligten entwickeln. Dafür sind die entsprechenden Organisationsstrukturen zu schaffen, die Wandel und Offenheit ermöglichen. Neue Nutzer:innen und nachwachsende Generationen müssen die Chance haben, die Strukturen immer wieder neu an ihre Bedürfnisse anzupassen. Das bedeutet jedoch nicht Beliebigkeit, sondern Verbindlichkeit. Gemeinsam beschlossene Regeln sollten eingehalten, kontrolliert und notfalls mit Sanktionen durchgesetzt werden.

Elinor Ostrom, die 2009 als erste Frau den Wirtschaftsnobelpreis3 verliehen bekam, hat fast tausend Gemeingüter weltweit untersucht und daraus acht Regeln abgeleitet, wie lokale Gemeingüter dauerhaft, zum Teil über Jahrhunderte existieren können und nicht übernutzt werden. Ihre Regeln erscheinen deshalb als geeignete Grundlage, um das Gemeingut Flughafen Tempelhof zu entwickeln. Natürlich müssten sie noch konkret ausbuchstabiert werden.

  1. Es muss eine klare Definition des Gemeingutes bezüglich Nutzung und
    Nutzungsberechtigung geben. Für den Tempelhofer Zukunftshafen bedeutet das, dass alle
    Bewohner:innen Berlins Anspruch darauf haben, hier Aktivitäten zu entfalten, sofern sie
    weder anderen noch dem Gemeingut schaden und die Verantwortung für die Folgen ihrer
    Aktivitäten tragen.
  2. Die Regeln müssen den lokalen Gegebenheiten und der Ressource angepasst sein
  3. Bei Bedarf, die verabredeten Regelungen zu ändern, haben die Nutzenden die Möglichkeit
    mitzuentscheiden, welche Regeln anschließend gelten sollen
  4. Die Einhaltung der Regeln wird überwacht
  5. Bei Regelverstößen gibt es abgestufte Sanktionsmöglichkeiten.
  6. Es existieren festgelegte Mechanismen zur Konfliktlösung
  7. Staatliche Stellen müssen anerkennen, dass die Nutzenden über ihre eigenen Regeln
    bestimmen können
  8. Für große Ressourcen sollte es ineinander verschachtelte Regelungsebenen geben, die
    nicht hierarchisch organisiert sind. Für das Tempelhofer Flughafengebäude ist es wohl
    sinnvoll, modulare Untereinheiten zum Beispiel in den Themenhöfen zu bilden, die sich
    selbst ebenfalls nach demokratischen und transparenten Prinzipien organisieren und
    verpflichtet sind, sich an die allgemeinen Spielregeln zu halten.




Wer das Gemeingut mitgestalten will, sollte sich mit dem noch genauer auszuarbeitenden Regelwerk einverstanden erklären. Für Tagesgäste und Besucherinnen gilt dies nicht zwingend. Wer aber Räume beansprucht, ein Projekt oder einen Betrieb ansiedeln will, sollte gleich zu Beginn eine Rahmenvereinbarung unterschreiben, die die nachhaltige gemeinsame Nutzung des Gemeingutes garantiert. Verstößt jemand dagegen, muss er oder sie mit Sanktionen bis hin zum Ausschluss rechnen.

Ein Gemeingut kann nur gemeinschaftlich verwaltet werden, sonst ist es keines. In einem demokratischen Prozess müssten Organisations- und Verwaltungsstrukturen für das Gemeingut Tempelhofer Flughafengebäude entwickelt werden. Die sollten transparent und funktionstüchtig sein. Weg und Ziel, Form und Inhalt müssen in diesem Prozess immer wieder gemeinsam überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Nicht zur Disposition gestellt werden kann jedoch das Ganze als Gemeingut. Es sollte keiner Initiative und keinem Projekt erlaubt sein, sich jenseits dieses näher zu vereinbarenden regulativen Prozesses quasi privat anzusiedeln, denn das wäre gleich zu Anfang das Ende des unschätzbar wertvollen Gemeingutes Tempelhof. Mit den gegenwärtigen Mietern müssen selbstverständlich Übergangslösungen gefunden werden und einige werden sich hoffentlich auch gut ins Gesamtkonzept einbeziehen lassen.

Berlin verfügt über eine überaus lebendige, auf vielen Feldern engagierte Bürgerschaft, die es in diesem Ausmaß kaum irgendwo sonst in Europa gibt. Darüber hinaus existiert eine Vielzahl von Institutionen und Organisationen, von denen sich viele mit Zukunftsaspekten beschäftigen.

Ziel ist es aber auch, noch nicht involvierte und engagierte Menschen einzubeziehen. Deshalb ist beim Prozess von Anfang an darauf zu achten, dass es niedrigschwellige Zugangsmöglichkeiten für die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen gibt, etwa für Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft, für Migrant:innen, für Jugendliche oder sozial Benachteiligte.

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Tempelhöflichkeiten

Das Gebäude ist sehr groß. Deshalb ist es umso wichtiger, dass von Anfang an ein guter Umgangston zwischen allen dort Engagierten herrscht. Dann kann das Vertrauen wachsen, dass alle im Sinne des Projekts agieren.

Verbindliche Verabredungen über das strategische Vorgehen sind unumgänglich. Niemand darf aufgrund von Partikularinteressen einzelne Teile aus dem Gesamtprojekt herausbrechen und damit das Ganze gefährden. Anreize wie private Macht oder Geldvermehrung, die zur Korruption verleiten, müssen vermieden werden. Ein Gemeingut muss gemeinsam geschützt werden.

Ein Gemeingut gemeinsam zu verwalten bedeutet auch, Regeln des guten Umgangs miteinander zu erarbeiten. Dazu gehört, sich respektvoll zu begegnen und die unterschiedlichen Interessen und Persönlichkeiten anzuerkennen. Darüber hinaus gilt es, Selbstorganisation zu praktizieren, indem die meisten Entscheidungen möglichst dezentral in kleinen Einheiten getroffen werden und Machthierarchien zu vermeiden.

Natürlich bedarf es zur Organisation auch einer Arbeitsteilung: Die sollte mit fairen Mandaten und möglichst hierarchiefrei organisiert sein. Entscheidungen sind transparent zu machen, Konflikte offen anzusprechen und konstruktiv und kreativ zu lösen. Ressourcen, Machinen und Werkzeuge sollten möglichst gemeinschaftlich genutzt und geteilt werden und Techniken zum Einsatz kommen, die weitgehend Open Source sind. Innovationen sollten Copyleft gestellt werden.

Da alle diese Regeln erarbeitet und eingeübt werden müssen, sollten in der Anfangsphase Politische Salons stattfinden, wo kompetente Personen Themen und Methoden der demokratischen Selbstorganisation vorstellen: etwa Gewaltfreie Kommunikation, Systemisches Konsensieren und vieles mehr. Auch hier gilt: Der Weg das Ziel.

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Organisationsform

Auszuhalten gilt der Widerspruch, einen Prozess inhaltlich-organisatorisch offenhalten zu wollen und gleichzeitig von Beginn an eine Organisationsform dafür vorzuschlagen. Weg und Ziel, Form und Inhalt müssen in diesem Prozess immer wieder gemeinsam bestimmt werden.

Unter diesem Vorbehalt steht auch der folgende Vorschlag:

Als Dachorganisation für die gemeinsame Verwaltung des Flughafengebäudes sollte eine Stiftung als gemeinnützige Körperschaft dienen. Ihr oberstes Entscheidungsorgan wäre eine Nutzerversammlung, die mindestens einmal jährlich stattfindet. Ihr würden alle Projekte, Initiativen und Betriebe angehören, die im Areal angesiedelt sind.

Das Entscheidungsorgan für die Zwischenzeit wäre ein Vorstand aus gewählten Persönlichkeiten, der wiederum von einem Beirat sowie einem Bürgerrat beraten wird. Ein Beirat würde sich aus Personen zusammensetzen, die Kompetenz in verschiedenen Themengebieten besitzen. Der Bürgerrat würde nach den Prinzipien der „qualifizierten Zufallsauswahl“ aus Listen der Einwohnermeldeämter ausgelost, wobei demografische Kriterien wie etwa Geschlecht, Alter, Herkunft und Bildungsstand berücksichtigt werden. Bürgerräte stellen somit sicher, dass die Gesamtbevölkerung repräsentativ vertreten ist. Sie sind nach innen und außen ein lebendiges Symbol dafür, dass es ernst ist mit der Suche nach neuen partizipativen Formen jenseits der reinen Wahldemokratie.

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Auf geht’s!

Die Grundlage für das Projekt ist im Prinzip in Berlin schon längst vorhanden. Im Herbst 2016 hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung das „Berliner Nachhaltigkeitsprofil“ veröffentlicht, in dem sie die Vielfalt der Bewohner:innen als das große Potenzial der Stadt anerkennt. „Die ermöglichende Stadt als Experimentierfeld bietet die nötigen Freiräume nicht nur in den Köpfen der Menschen, sondern auch ganz konkret als Orte und Räume in der Stadt“, heißt es in dem Papier, das den nachhaltigen Entwicklungsweg der Stadt bis 2030 beschreiben will.

Das Tempelhofer Flughafengebäude ist deshalb eine herausragende Chance, den Schritt vom Papier zur Praxis hinzubekommen.

Ermutigend ist auch, dass die rot-rot-grüne Landesregierung an vielen Stellen in ihrem Koalitionsvertrag Bürgerbeteiligung als wichtiges politisches Instrument bezeichnet. Auch das Tempelhofer Flughafengebäude erwähnt sie in diesem Zusammenhang explizit: „Das Nutzungskonzept wird partizipativ entwickelt und soll bereits parallel zu den notwendigen Sanierungsmaßnahmen Nutzungen und einen Gedenkort ermöglichen.“ Es gibt also keinen Grund zu warten.

Wir bauen einen Tempel der zivilgesellschaftlichen Selbstorganisation, einen Palast für die Menschen der Welt.

Abflug in die Zukunft – Tempelhofer Flughafen, bitte einsteigen!

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Dies ist die Version 1.2. des Gemeinwohlplans. Es kann mit Fortschreiten des Projekts immer wieder angepasst werden und sollte in der zweiten Fassung auch konkrete Umsetzungsschritte und einen Fahrplan enthalten. Zu einzelnen Aspekten gibt es bereits konkretere Vorschläge. Sie werden auf der www-Seite veröffentlicht, die im September online geht.

1 Vorbilder für vielfältig genutzte Gemeinschaftsgebäude gibt es bereits, wenn auch nicht in dieser Größenordnung. Im Netzwerk Trans Europe Halles (TEH) unterstützen erfolgreiche Projekte neue Initiativen mit Rat und Tat. Im kroatischen Pula haben Bürger:innen ein ehemaliges Militärgebäude in ein lebendiges Zentrum für 110 Initiativen verwandelt. Auch außerhalb Europas gibt es Vorbilder, zum Beispiel OmniCommons in Oakland. In Deutschland, Fürth-Nürnberg, wird das ehemalige Quelle-Gelände bevölkert.

2Berliner Nachhaltigkeitsprofil, 2016, Seite 15 http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/foren_initiativen/nachhaltige_stadtentwicklung/download/Berliner-Nachhaltigkeitsprofil-barrierefrei.pdf

3ganz korrekt müsste es heißen, sie bekam den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen. Dabei handelt es sich um die weltweit renommierteste Auszeichnung in diesem Forschungsfeld.