Kurzfassung Weißbuch 1.2

Abflug in die Zukunft

Gemeinwohlplan: Für eine gemeinwohlorientierte, kreative und nachhaltige Entwicklung des Flughafengebäudes Tempelhof

Einst war der Tempelhofer Flughafen mit seinen mehr als 300.000 qm Fläche das größte Gebäude auf dem Planeten. Als Gemeingut genutzt kann das Gebäude jetzt zu einem Experimentier-, Praxis-, Lern- und Forschungsort für eine generationenübergreifende Lebens- und Wirtschaftsweise werden und für eine Kultur des Miteinanders.

Gegenwärtig wachsen sowohl die ökologischen Gefahren als auch die Risiken für die Demokratie und den Weltfrieden – und zugleich zeichnet sich die Chance einer Transformation ab. In dieser Situation werden Brückenpfeiler in die Zukunft gebraucht. Nötig sind Lernorte und lernende Organisationen, wo innovative Ansätze entwickelt, erprobt und aus unterschiedlicher Perspektive bewertet werden können. Das Tempelhofer Flughafengebäude könnte genau solch ein Brückenpfeiler werden. Kompass sollten die 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) sein.

Weil alles mit allem zusammenhängt, können die globalen Herausforderungen nicht isoliert voneinander gelöst werden. Vernetztes Denken und kooperatives Handeln sind notwendig. Gerade weil das Gebäude des Tempelhofer Flughafens enorm groß ist, lassen sich hier viele Aspekte einer zukunftsfähigen urbanen Gesellschafts- und Lebensgestaltung verknüpfen, betrachten und in ihren Wechselwirkungen ausprobieren. Berliner:innen aller Kulturen, Schichten, Herkünfte und Altersgruppen sollen sich beteiligen und ihre Erfahrungen und Ideen einbringen. Auch Neuankommende sind eingeladen, gemeinschaftlich aktiv zu werden. Einzige Voraussetzungen fürs Mitmachen: Alle werden als Gleichwertige akzeptiert und die gemeinsam entwickelten Spielregeln eingehalten.

So könnte das Tempelhofer Flughafengebäude auch zu einem Magneten werden für innovative Menschen aus aller Welt, die sich mit Zukunftsfragen beschäftigen und die Entwicklungen durch ihr Wissen und ihre Erfahrungen voranbringen wollen. Wir haben die Chance, eine bessere Welt zu bauen: Liebevoller, witziger, feinfühliger und künstlerischer, als es je zuvor möglich gewesen ist. Aber wir müssen selbst in den Ring steigen, es selbst in Gang bringen, es selbst unternehmen. Wir dürfen die Welt nicht den Gewinnmaximierern überlassen!

Vertiefung und Modernisierung der Demokratie
Im Tempelhofer Flughafengebäude könnte ein Lernort entstehen, der vermittelt, dass Demokratie Selbstermächtigung bedeutet; dass Bürgerbeteiligung und neue partizipative Formen sinnvolle und kreative Ergebnisse hervorbringen; dass Konflikte friedlich und konstruktiv ausgetragen werden können. Menschen verschiedener Generationen, Geschlechter, Herkünfte, Religionen und Bildungsgrade können sich hier im realen Raum begegnen statt nur im Internet, können ein friedliches Miteinander üben und Selbstwirksamkeit erleben. 

Wirtschaften nach dem Kreislauf- und Vernetzungsprinzip

Die Grundbedürfnisse aller 7,5 Milliarden Menschen lassen sich im gegenwärtigen Wirtschaftssystem nicht befriedigen, die 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) sind so nicht erreichbar. Eine zukunftsfähige Wirtschaft darf nicht länger dem Einbahnstraßenprinzip „ausgraben – nutzen – wegschmeißen“ folgen, sondern wird sich am Vernetzungs- und Kreislaufprinzip der Natur orientieren müssen. Ins Zentrum gehören die Ausrichtung auf Gemeinwohl, Menschenwürde und echte Bedürfnisse. Die Entwicklung einer solchen Art von Wirtschaft könnte auf im Tempelhofer Flughafen exemplarisch vorangetrieben werden. Dafür sollten kleinteilige, vielfältige, regional angepasste, auf ungefährlichen Techniken basierende Versorgungsstrukturen aufgebaut werden, die sich an den Bedürfnissen der Beteiligten und der Menschen in der Umgebung orientieren und möglichst viele der vor Ort vorhandene Ressourcen nutzen.

Bei materiellen Dingen soll eine solche Kreislauf- und Vernetzungswirtschaft auf kurze Wege setzen, bei guten Beispielen und Konzepten dagegen auf den globalen Austausch. Sind die Grundlagen von Innovationen offen (open source), können sie sowohl weltweit weiterentwickelt als auch überall modular an die jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden. Für solche Wirtschaftsstrukturen gebraucht werden bewährte handwerkliche Strukturen, moderne Open-Source-Soft- und Hardware, aber auch die Einbeziehung des Sozialen und der Sorgearbeit auf neue Weise. Darüber hinaus sind Bereiche wie das Gesundheitswesen, Bildung, Forschung und Kultur vom Primat der monetären Ökonomie zu befreien, so dass sie sich wieder nach lebensförderlichen und –sichernden Prinzipien ausrichten können.

Ver-Ortung im Tempelhofer Flughafen-Gebäude

Das Tempelhofer Flughafengebäude ist voller Geschichten und Geschichte, die es zu entdecken und darzustellen gilt. Errichtet in der NS-Zeit wurde es später zum Symbol für Freiheit und globale Solidarität. Die „Völker der Welt“ haben Berlin mit der Luftbrücke beigestanden – jetzt gibt es die Chance, den Menschen der Welt etwas zurückzugeben: Einen Raum für globale Entwicklungsimpulse, kulturelle, soziale und gesundheitliche Innovationen.

Das Gelände hinter dem Gebäude sowie der sogenannte Ehrenhof vor dem Haupteingang sind riesige mögliche Versammlungs- und Veranstaltungsorte. In den ersten Demokratien im antiken Griechenland war die Agora der zentrale Versammlungs-, Diskussions-, Veranstaltungs- und Marktplatz – diese Tradition könnte hier neu belebt werden.

Die zahlreichen Hallen und Hangars, Büros, Küchen und Kantinen, Werkstätten und Hotelzimmer bieten Platz für vielfältige Nutzungen. Im Gebäude gibt es mehrere Innenhöfe, die dazu einladen, sie als Themenhöfe zu gestalten: beispielsweise zu Ernährung, Gesundheit, Demokratie und Friedensförderung, Kultur, Geschlechter- und Generationengerechtigkeit, Stadtplanung und -versorgung, Produktionsweisen u.a.. Initiativen, Projekte und Betriebe, die sich um ähnliche Themengebiete kümmern, könnten gemeinsam einen Themenhof beziehen, gestalten und bewirtschaften. Und natürlich muss hier viel Platz sein für kulturelle Aktivitäten – Ateliers, Ausstellungs- und Probenräume, die je nach Bedarf Tanzende, Theatergruppen, Chöre, Bands, Aktionskünstler oder Orchester nutzen.

Das Tempelhofer Flughafengebäude hat eine eigene Wasserversorgung. Damit ist es gut geeignet, nachhaltige Abwasser- und Sanitärsysteme zu entwickeln und zu erproben, die angesichts der zunehmenden Verstädterung und der grassierenden Wasserknappheit immer dringender gebraucht werden.Darüber hinaus war das Tempelhofer Flughafengebäude früher energieautark und hatte ein eigenes Kraftwerk. Mit seiner energetischen Insellage und der Notwendigkeit, die energetische Effizienz des denkmalgeschützten Gebäudes zu verbessern, existieren gute Voraussetzungen für praktische Forschungen in diese Richtung.

Bildung, Forschung und Innovation (Campus Tempelhof)

Langfassung