Irgendwann während des Torhaus-Festes war Patrizia da.
In der Textil-Werkstatt stieg sie gleich voll mit ein, und nicht nur das: Sie brachte Textilien der besonderen Art mit, zum Beispiel Banner, die ein paar Wochen vorher bei einem Auto-Rennen auf dem Flugvorfeld von Tempelhof gehangen hatten und dann zu Müll geworden waren.
Es stellte sich heraus, dass Patrizia beruflich mit Mode zu tun hat – sie hatte die Modeschule Berlin gerade abgeschlossen – und dass sie klare Ideen für eine gute Zukunft als Mode-Profi besitzt.
Mit ihrer Hilfe haben wir aus alten Zelten (!) siebzehn Flaggen für die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele genäht, die dann bei der Abschluss-Parade quer über das Tempelhofer Feld dekorativ mitwanderten. Quasi eine Rückkehr zum Ort ihres ersten Auftritts, diesmal aber mit einer fröhlicheren Aufgabe.
Wir haben Patrizia auch ausgefragt…..
Hier sind Ausschnitte aus einem Gespräch vom 20. Juni 2019
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Frage: Du sagst, diese SDG-Flaggen sollen bis 2030 halten. So lange?
Patrizia: Ja! Bei meinen Sachen liegt der Fokus darauf, alte Materialien für längere Zeit vorm Müll zu bewahren. Außerdem ist 2030 das Jahr, in dem die SDG umgesetzt sein sollen – da müssen die Flaggen natürlich so lange halten.
Frage: Und woher stammt das Material, das so lange hält?
Patrizia: Eine Hälfte stammt vom Formula-E-Rennen, das vor einigen Wochen hier auf dem Flugvorplatz beim Tempelhofer Flughafengebäude stattgefunden hat. Das heißt, es sind die wetterfesten Banner, die nur für das eine Rennen gefertigt wurden, dort hingen und seitdem überflüssig sind.
Die andere Hälfte habe ich auf Festival-Plätzen
eingesammelt: alte Zelte, die ich auseinandergeschnitten habe. Die wären sonst
in die Verbrennungsanlage gewandert.
Frage: Wirklich?
Patrizia: Ich habe schon oft auf Festivals gearbeitet und kenne die Problematik dahinter schon lange. Denn für den Aufbau musste ich ja schon ein paar Tage vor den Gästen da sein und konnte die schönen, friedlichen Wiesen sehen. Für den Abbau war ich auch vor Ort – niemand war mehr da, und um mich herum eine einzige Zombie-Apokalypse, mit Tonnen von Müll. Nichts mehr von schönen Wiesen! Es ist einfach erschreckend, wie sich auf den Festivals die Konsumgesellschaft austobt. Wir mussten das alles wegräumen – und dann geht das eben in die Müllverbrennung.
Deshalb hatte ich die Idee, aus Zelten, die liegengelassen worden waren, eine Fashion-Kollektion zu machen, und habe die Zelte dafür eingesammelt. Die Kollektion ist übrigens schon fertig, als Masterarbeit an der OSZ Mode und Bekleidung (der neue Name ist: Modeschule Berlin). Aus den Materialresten haben wir jetzt die SDG-Flaggen hier zugeschnitten.
Die Fashion-Kollektion ist übrigens sehr gut angekommen. Letzte Woche bekam ich mein Abschlusszeugnis bei der OSZ – und fürs nächste Jahr schon das Angebot für drei Fashion-Shows!
Frage: Textilien vorm Wegwerfen retten lohnt sich also auch als
Geschäftsmodell?
Patrizia: Ich möchte meine Kollektion jedenfalls erweitern und ein Geschäftsmodell daraus machen. Die bisherigen Arbeiten waren erst der Anfang. Genau gesagt: ich möchte zu mindestens 90 Prozent gebrauchte Materialien verwenden, nur bei Reißverschlüssen und ähnlichen Dingen ist es immer fraglich, ob man das Gewünschte gebraucht in der richtigen Qualität findet.
Aber es gibt schon auch Probleme: Ich darf gar nicht erzählen, dass ich quasi aus Müll gute neue Produkte mache. Die Leute würden davor zurückschrecken, es zu kaufen. „Ressourcen schützen“ kann ich also auf keinen Fall in meinen Businessplan schreiben. Ich bin dabei zu lernen, wie man das „businessmäßig“ kommuniziert, auch wenn meine Ideen eher gemeinwohlorientiert sind.
Frage: Gemeinwohl ist ein großes Wort. Was daran ist Dir ein Anliegen?
Patrizia: Das war mit schon immer wichtig. Zum Beispiel habe ich ein freiwilliges soziales Jahr gemacht und dabei mit Kindern, Jugendlichen und Menschen mit Handicaps gearbeitet. In dieser Richtung soll es auch weitergehen, eben im Zusammenhang mit Kleidung. Kleidung und soziale Einflüsse spielen eine wichtige gemeinsame Rolle.
Ich will mit meinem zukünftigen Geschäft gar nicht zu sehr expandieren. Ein kleines Team, mit einer Handvoll Menschen, das wäre perfekt. Und dann will ich der jungen Generation zeigen, was machbar ist – damit die in 10 Jahren selber kreative Ideen entwickeln und sie umsetzen können. Ich stell mir vor, ich habe 100 Schüler, und zwei davon wollen dann selber in diese Richtung gehen. Das wäre schon super.
Frage: Wie bist Du eigentlich zuerst auf die Idee gekommen?
Patrizia: Die lag in der Luft, seit ich ein Kind bin. Ich stamme aus einer Familie mit vielen guten Handwerkern … und ich habe schon als Kind aus Stoffresten Kleider für meine Puppen genäht.
Und jetzt, wie gesagt: seit einer Woche der Abschluss, fürs nächste Jahr 3 Fashion-Shows, und viele neue Ideen fürs Upcycling!
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(Das Gespräch wurde am 20.Juni 2019 geführt.)
Das Gespräch als Download
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Dieses Projekt wurde möglich durch die Förderung des Rates für Nachhaltige Entwicklung, als Projektförderung unter dem Titel „Abflug in die Zukunft – Jugendpartizipation für Nachhaltigkeit im Flughafengebäude Tempelhof“.